Freitag, 2. Juli 2010

Öl im Golf von Mexiko - Update zu den Dispergiermitteln

  • Die US-Umweltbehörde EPA hatte auch keine Freude am übermässigen Einsatz von Dispergiermitteln und hat BP an die Kandare genommen.
  • Der Hersteller Nalco hatte ein Einsehen und hat alle Inhaltsstoffe der Corexit-Produkte bekanntgegeben.
  • Die EPA testet andere Dispergiermittel
Zeit für ein Update! Frühere Beiträge zu diesem Thema: 7.5. und 16.5.


Reduzierter Einsatz von Dispergiermitteln

Am 23.5. wurde BP angewiesen, den Dispergiermittelverbrauch um 75% zu senken. Daran haben sie sich mehr oder weniger gehalten: Der Verbrauch sank um 68%. Eine Order der US-Umweltbehörde EPA und der Küstenwache vom 26.5. verbietet den oberflächlichen Einsatz von Dispergiermitteln ohne schriftliche Einwilligung der Küstenwache. Der Einsatz in der Tiefsee wird von der EPA weiterhin zugelassen, da er Wirkung zu zeigen scheint, ist aber auf 15'000 Gallonen (rund 57'000 Liter) pro Tag beschränkt.

Inhaltsstoffe von Corexit

Einige Inhaltsstoffe der Corexit Dispergiermittel wurden bereits in einem früheren Beitrag beschrieben.

Jetzt hat Nalco das Geheimnis des verwendeten Sulfonats gelüftet: Es handelt sich um das Natriumsalz von 1,4-bis(2-ethylhexoxy)-1,4-dioxobutan-2-sulfonat, besser bekannt als Docusat (den anderen Namen kann sich eh niemand merken). Der Stoff wird auch in Abführmitteln eingesetzt.
Graphik von Wikipedia
Docusat ist eingestuft als gesundheitsschädlich und kann Haut und Augen reizen. Es scheint relativ gut biologisch abbaubar zu sein.

Weiter sind Emulgatoren aus der Klasse der Polysorbate (für Chemiker: das sind Polyethylenglykolether von Sorbitanfettsäureestern) mit den Handelsnamen Tween 80 und Tween 85 und der Sorbitanfettsäureester Span 80 enthalten. Die Strukturen dieser Emulgatoren sind recht kompliziert, so dass ich hier auf eine Darstellung verzichte. Sie sind nicht giftig, Tween 80 und Span 80 werden offenbar auch in Lebensmitteln eingesetzt. Der biologische Abbau ist durch die langen Kohlenwasserstoffketten möglicherweise etwas verlangsamt; zumindest für Tween 85 bescheinigt aber das Sicherheitsdatenblatt die Abbaubarkeit, und die EPA hält nach Analyse der Fachliteratur alle Inhaltsstoffe für gut abbaubar. In eine Studie der Exxon Research & Engineering Company (heute Exxonmobil Research & Engineering Company) wird sogar die Vermutung aufgestellt, dass das Sorbitan ölabbauenden Mikroorganismen als Energiequelle dienen und so den Ölabbau beschleunigen könnte.

Ausserdem ist noch 1-(2-Butoxy-1-methylethoxy)-propan-2-ol enthalten. (-50 Punkte für Stil, aber ein Chemiker kann aus diesem Namen tatsächlich die Molekülstruktur ableiten.) Der Stoff ist nicht giftig und gut biologisch abbaubar.
 Graphik von chemexper.com

Toxizitätstest verschiedener Dispergiermittel

Die EPA hat von BP eine Analyse verlangt, ob es andere Dispergiermittel mit geringerer Ökotoxizität gibt. Da BP offenbar lausige Arbeit verrichtete, testet die EPA jetzt selbst Corexit 9500 und verschiedene Alternativen: Dispersit SPC 1000, Nokomis 3-F4, Nokomis 3-AA, ZI-400, SAF-RON GOLD, Sea Brat #4 und JD-2000. Am 30.6. wurden die Resultate der ersten Toxizitätstests veröffentlicht.

Einige der Dispergiermittel enthalten Nonylphenolethoxylate. Bei deren Abbau entsteht Nonylphenol, eine Substanz, die estrogenartige Wirkung zeigen kann. Deshalb wurde getestet ob die Dispergiermittel mit Rezeptoren für Sexualhormone wechselwirken. Einzig Nokomis 3-F4 und ZI-400 zeigten in einem von acht Tests eine schwache Wirkung, diese wird als biologisch nicht signifikant eingeschätzt. Also Entwarnung für alle Fischmännchen!

Die akute Toxizität wurde durch Tests an einer Fischart (Menidia beryllina) und einer Garnelenart (Americmysis bahia), die beide im Golf von Mexiko vorkommen, beurteilt. Zudem wurden in-vitro Versuche an verschiedenen Zelltypen durchgeführt. Hier die Resultate für Corexit 9500 sowie die Alternativen, die am besten und am schlechtesten abgeschnitten haben.

Tierart (Testdauer) Dispersit SPC 1000 Corexit 9500A JD-2000
M. beryllina (96 h) 2.9 ppm 130 ppm >5600 ppm
A. bahia (48 h) 12 ppm 42 ppm 788 ppm
Konzentrationen, bei denen nach der angegebenen Zeitdauer 50% der Tiere gestorben waren.

Bei den in-vitro Test zeigt sich dasselbe Bild: Dispersit SPC 1000 ist besonders giftig, JD-2000 ist am wenigsten giftig, und Corexit 9500A befindet sich im Mittelfeld.

Als nächstes wird die Toxizität der Gemische der Dispergiermittel mit Öl getestet. Ich bin gespannt auf die Resultate!

Öl unter Wasser aufspüren

Es ist enorm aufwendig, etwas über die Ausbreitung des Öls unter der Wasseroberfläche herauszufinden. Allein die Probenahme kann bei grosser Tiefe bis zu zwei Stunden dauern. Von den wenigen punkuellen Messungen können nur sehr ungenaue Rückschlüsse auf das Ausmass einer Ölwolke gezogen werden.

Eine Forschungsgruppe versucht nun, das Öl mit Hilfe des Sonars aufzuspüren. Sie haben erste Hinweise gesammelt, dass grosse Ölmengen in der Tiefe tatsächlich mit einer feinen Veränderung des akustischen Signals zusammenfallen. Sollte sich diese Methode als praktikabel erweisen, wäre das in der Tat ein Riesenfortschritt.


Quellen:

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