Donnerstag, 1. Juli 2010

Graphen - der Halbleiter der Zukunft?

Graphit kennen wir seit langem. Aber erst vor einigen Jahren ist es gelungen, daraus Graphen herzustellen. Worin besteht der Unterschied? Und hat Graphen tatsächlich Potential als Halbleiter?

Atomarer Aufbau von Graphit und Graphen

Graphit besteht aus Schichten von Kohlenstoff-Atomen (Symbol C), die zu Sechsecken verbunden sind. Ist nur eine einzelne Schicht vorhanden, heisst der Stoff nicht mehr Graphit sondern Graphen. Diese Namensänderung zeigt schon an, dass die beiden Stoffe unterschiedliche Eigenschaften haben.

Atomarer Aufbau von Graphit. Die Kugeln stellen Kohlenstoff-Atome dar. Ist nur eine einzelne Schicht vorhanden, spricht man von Graphen. Zur Verteilung der Elektronen siehe unten. (Bild von Wikipedia)

Wer jetzt stutzt: "Haben Kohlenstoff-Atome nicht vier Bindungen?", hat völlig recht: Kohlenstoff-Atome haben in ihrer äussersten Elektronenhülle vier Elektronen und bilden mit diesen in der Regel viermal eine Elektronenpaarbindung. Wohin ist denn hier bloss das vierte Elektron verschwunden? Im Graphit/Graphen beteiligt sich eines von vier Elektronen nicht an Elektronenpaarbindungen und kann sich deshalb innerhalb einer Schicht mehr oder weniger frei bewegen. Diese Elektronen sind in der Abbildung nicht dargestellt. (Quantenchemiker sprechen von einem π-Bindungssystem.)

Physikalische Eigenschaften

Daraus ergibt sich nun eine wichtige physikalische Eigenschaft von Graphen/Graphit: Das Material vermag elektrischen Strom zu leiten, und zwar nur in Richtung des Schichtverlaufs, nicht aber quer dazu. Elektrischer Strom fliesst, wenn sich geladene Teilchen, wie z.B. Elektronen, gerichtet bewegen. Daher können nur Materialien, in denen sich geladene Teilchen (zumindest in einer Richtung) frei bewegen können, elektrischen Strom leiten. Und in Graphen/Graphit ist wie gesagt eines von vier Elektronen nicht in einer Elektronenpaarbindung gefangen.
 
Durch seine elektrische Leitfähigkeit wird das Material interessant für die Elektrotechnik. Zudem ist Graphen superdünn und transparent, aber äusserst stabil. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, denn Graphit ist nicht gerade für seine Festigkeit berühmt, man denke an Bleistiftminen... Die Schichten im Graphit lassen sich leicht voneinander trennen. Eine einzelne Schicht aber, also Graphen, kann sich in ihrer Stärke mit Diamant messen. Unter einer Dicke von 50 Nanometern (50 Millionstel Millimeter) wird Graphit zudem transparent, weil der Weg der Lichtwellen dann kaum mehr von Atomen versperrt wird.

Noch spannender wird es, werden zwei Graphenschichten übereinandergelegt. Dann entsteht ein Halbleiter, und zwar einer mit - das ist ein Unikum - variabler Bandlücke! Die Grösse der Bandlücke eines Halbleiters ist durch die Struktur des Materials vorgegeben und kann nicht verändert werden - ausser beim Graphen, wie Forscher am Berkeley Lab 2009 gezeigt haben.

Was eine Bandlücke ist, kann man sich so vorstellen: Auf einer Wiese unterhalb einer Felswand (∼ Bandlücke) grasen Ziegen (∼ Elektronen). Oberhalb der Felswand gibt es auch eie saftige Wiese, aber nicht immer haben die Ziegen - eigensinnig wie sie sind - den nötigen Mumm für den schweren Weg dort hinauf. Sind alle Ziegen auf der unteren Wiese, ist auf der oberen kein Glockengebimmel zu vernehmen (∼ nichtleitender Zustand). Haben es aber einige Ziegen auf die obere Wiese hinauf geschafft, bimmeln die Glöckchen auch hier (∼ leitender Zustand). Je nach Höhe der Felswand (∼ Grösse der Bandlücke) brauchen die Ziegen mehr oder weniger Energie, um auf die obere Wiese zu gelangen. (Ich gebe zu, die Analogie ist etwas gesucht. Wer eine bessere weiss, bitte melden!)

Herstellung

Die ersten Versuche, Graphen herzustellen, erinnern an Holzhackermethoden: Mit Hilfe von Klebeband wurden von einem Graphitstück möglichst dünne Schichten abgezogen und auf Silicium übertragen. Dann suchte man mit einer Reihe von Mikroskopen nach einem Stück, das tatsächlich nur eine Atomschicht dünn war. Die Transparenz von Graphen ist dabei nur bedingt hilfreich... Dass diese Graphenstücke nicht gerade gross in der Fläche waren, bedarf keiner weiteren Erklärung.

Ausgefeilter ist die Methode, Graphen direkt aus der Gasphase auf einer Kupferfolie wachsen zu lassen. Dafür wird eine wird eine Kohlenstoffquelle stark erhitzt und das Gas über eine Kupferfolie geleitet. Darauf lagern sich die Kohlenstoff-Atome an und bilden Graphen. Zur weiteren Verarbeitung wird eine Klebefolie über die Graphenschicht gelegt und das Kupfer chemisch aufgelöst. Die Graphenschicht befindet sich nun auf der Folie und kann von hier aus leicht auf andere Materialien übertragen werden, da die Klebefolie so gestaltet ist, dass sich die Verbindung zum Graphen bei höherer Temperatur löst. Auf diese Weise ist es in Südkorea gelungen, Graphenblätter von 30 in (76 cm) in der Diagonalen herzustellen. Vier dieser Blätter wurden übereinandergelegt und mit Hilfe von Salpetersäure dotiert, um die elektrische Leitfähigkeit zu verbessern. So liess sich aus Graphen eine funktionierende Touchscreen herstellen.

 
Sukang Bae, Hyeongkeun Kim et al. 2010.

Hier gibt es ein Video von der Graphen-Touchscreen in Aktion.

Bisher wurde in Touchscreens Indiumzinnoxid verwendet. Graphen ist diesem in punkto Leitfähigkeit und Stabilität überlegen. Wird Graphen also bald das Indiumzinnoxid in Touchsreens ablösen? Finanziell würde sich das auf jeden Fall lohnen, denn Indium ist teuer. Fraglich ist aber noch, ob sich mit Graphen derselbe Reinheitsgrad und damit dieselbe Bildqualität erreichen lässt, wie mit Indiumzinnoxid.


Quellen:

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