Donnerstag, 29. Juli 2010

Proton neu vermessen

Spitzt schon mal die Bleistifte, möglicherweise wird es nötig werden, in der Formelsammlung etwas zu korrigieren. Messungen am Paul-Scherrer-Institut (PSI) weisen nämlich darauf hin, dass das Proton 4% kleiner ist als bisher angenommen.

  
Teil der Laseranlage, die für das Experiment zur Bestimmung des Protonenradius benötigt wird. Hier werden unsichtbare infrarote Laserpulse in grünes Laserlicht umgewandelt. (PSI/A. Antognini und F. Reiser)

Da stellen sich mir gleich zwei Fragen, nämlich: Hat ein Proton überhaupt einen messbaren Radius? Und vor allem: Wen kümmert das überhaupt? Sicher nicht die Chemikerin in mir, denn die interessiert sich eher für die Elektronen im Atom.

Interessanterweise hängen diese beiden Fragen eng zusammen. Denn das Proton ist keine Kugel. Eigentlich kann niemand wirklich sagen, wie es genau geformt ist; ein Proton ist nun mal ein wenig zu klein, um es mit einem Mikroskop anschauen zu können. Bei dem Radius, um den es sich dreht, handelt es sich um den sogenannten Ladungsradius. Das bedeutet: "Wir wissen zwar nicht, ob das Proton eine Kugel ist, aber nehmen wir mal an, es wäre eine, denn das ist am einfachsten zu rechnen. Wie gross müsste also der Radius einer Kugel mit Ladung +1 sein, dass unsere Messresultate nach den Regeln der Quantenelektrodynamik Sinn machen?" Damit ist auch geklärt, für wen der genaue Protonenladungsradius eine Rolle spielt: für Teilchenphysiker.

Bisher ging man von einem Ladungsradius des Protons von 0.8768 Femtometer (kurz fm, ein Billionstel Millimeter). Dieser Wert beruht der Streuung von Elektronen an Protonen. Die Forscher am PSI gingen mit dem Ziel, diesen Wert zu verbessern, an die Arbeit. Und zwar ersetzten sie in Wasserstoff-Atomen das (einzige) Elektron jeweils durch ein Myon. Ein Myon hat wie ein Elektron eine negative Ladung, aber eine 200-mal grössere Masse. Wegen der grösseren Masse liegt es im Atom näher beim Kern als ein Elektron, wodurch seine Energieniveaux wesentlich stärker durch den Kern beeinflusst werden.

Beamline PiE5 am PSI Protonenbeschleuniger. (PSI)

Solche Myon-Wasserstoff-Atome wurden nun mit einem Infrarot-Laser angeregt und die Energiedifferenz zwischen dem 2s- und dem 2p-Niveau gemessen. Aus der gemessenen Differenz ergibt sich ein Proton-Ladungsradius von 0.84184 fm. Der Unterschied zum bisherigen Wert beträgt ganze fünf Standardabweichungen. Das ist etwa so, wie wenn die Durchschnittsnote einer Klasse von 3.5 auf 6 steigen würde...

Energieniveaux von Elektron- und Myon-Wasserstoff. (PSI)

Die Folgerungen aus dieser Differenz:
  • Entweder muss die Rydberg-Konstante angepasst werden - und dabei handelt es sich immerhin um die am genauesten bekannte aller physikalischen Konstanten.
  • Oder es sind noch unbekannte, quantenelektrodynamische Effekte im Spiel.
So oder so wird es spannend werden, zu beobachten, wozu diese Messungen führen.


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