Samstag, 31. Juli 2010

Proton neu vermessen - ein statistischer Nachtrag

Mein Herzallerliebster hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass mein Vergleich mit Schülernoten nicht gerade intuitiv ist für Leute, die nicht in der ETH-Didaktikausbildung mit Effektstärken gequält wurden. Ich versuche mich an einer Erklärung...

Der Unterschied zwischen altem und neuem Protonenladungsradius beträgt laut Artikel 4% und 5 Standardabweichungen. Was haben Standardweichungen denn in einer Differenz zu suchen? Nun, ob ein Unterschied von 4% überhaupt von Bedeutung ist, hängt davon ab, wie genau die Messwerte sind. Kennt man diese auf 10% genau? Dann sind 4% nichts, nada, niente. Kennt man sie auf 1% genau? Hm, da könnte was dran sein. Kennt man sie auf 0.1% genau? Oha, da sind 4% ein Riesenunterschied. Wir sehen also, dass eine prozentuale Differenz ohne Angabe der Messgenauigkeit ungefähr so wertvoll ist wie eine Guetzlibüchse ohne Guetzli - hübsch anzuschauen, aber wertlos.

Hier tritt nun die Standardabweichung auf den Plan. Und ich hoffe, dass ich jetzt keinen Mist verzapfe, denn Menschen ohne abgeschlossenes Mathematikstudium sollten sich tunlichst von Statistik fernhalten, da wimmelt es nur so von Fallen, Fettnäpfchen und Fussangeln. Das beginnt schon damit, dass es verschiedene Standardabweichungen gibt: Standardabweichung einer Zufallsvariablen, Standardabweichung einer Stichprobe und Standardabweichung des Stichproben-Mittelwerts (= Standardfehler). In diesem Falle handelt es sich um - oooooookay, mal kurz studieren - ich glaube - nein, halt, doch nicht - also wahrscheinlich - wobei - Hiiiiilfeeeeeeeeeeeee... (Ich tippe auf Variante Nr.2, aber nur ganz klein, falls ich damit nicht recht habe...)

Item. Wenn die Messwerte einigermassen normalverteilt sind (und das sind Messresultate häufig), dann sagt eine Faustregel:
  • Zwei Drittel der Messwerte liegen im Bereich Mittelwert +/- eine Standardabweichung.
  • 95% der Messwerte liegen im Bereich Mittelwert +/- zwei Standardabweichungen.
Eine Normalverteilung wird charakterisiert durch Mittelwert μ und Standardabweichung σ. (Bild Wikipedia) 

Wenn wir jetzt zwei Gruppen von normalverteilten Werten haben, und der Mittelwert der einen Gruppe ist fünf Standardabweichungen vom Mittelwert der anderen Gruppe entfernt, so überlagern sich die Kurven nur geringfügig (bei 2.5σ).

Letzte Frage: Wie komme ich auf diesen blödsinnigen Notenvergleich? Ganz einfach: Ich habe zum Vergleich auf Daten zurückgegriffen, mit denen ich vertraut bin. Das wären: a) Schülernoten und b) Zn-O-Abstände in geschichteten Zn-Al-Doppelhydroxiden. Soll ich es mal mit Variante b) versuchen...? Die Standardabweichung der Noten innerhalb einer Klasse liegt bei mir meist zwischen 0.5 und 1. Ich habe mit 0.5 gerechnet (1 hätte die Skala gesprengt), so komme ich auf den Sprung von 3.5 auf 6. Ja, der Vergleich hinkt an allen Ecken und Enden, u.a. ist die Notenskala finit... Ich wollte damit nur zeigen:

Ein Unterschied von 5 Standardabweichungen ist beträchtlich und keine Körnlipickerei.

À propos Statistik: Ich führe mir gerade wieder mal einen Dubben/Beck-Bornholdt zu Gemüte. Titel: Mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit. Herrlich amüsant und lehrreich, vielleicht gibts dazu bald mal einen Beitrag...

Quellen:
Wikipedia: Standardabweichung, standard deviation

2 Kommentare:

  1. ich versteh ja nur bahnhof, aber es macht bestimmt sinn ;-)

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  2. Ok, stell Dir vor ein Buch wir von den Private Readers in Aarau im Durchschnitt mit 3 Sternen bewertet, in Zürich mit 3.12 Sternen. Das ist ein Unterschied von 4%. Da wir den Bewertungsvorgang kennen - die Bewertungen reichen von 1.5 bis 4.5 Sternen, einige sind sich nicht so sicher etc. - können wir sagen, dass der Unterschied zwischen Aarau und Zürich unwesentlich ist und das Buch bei den Lesern etwa gleich gut angekommen ist. Stimmst Du mit mir überein?
    Jetzt ein anderes Beispiel: Ich bin 1.64 gross, eine Freundin von mir 1.70. Das ist auch ein Unterschied von 4%, aber Du wirst sofort sehen, dass meine Freundin grösser ist als ich. Denn die Körpergrösse ist ein viel genauerer Wert als eine Buchbewertung, daher hat ein Unterschied von 4% mehr Bedeutung.
    Hilft dieser Vergleich?

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