Samstag, 29. Mai 2010

Universeller Grippeimpfstoff bald nicht mehr Zukunftsmusik?

Wer sich gegen Grippe impfen lassen will, muss diese Impfung praktisch jedes Jahr wiederholen. Denn die Grippeviren mutieren ständig, so dass bisherige Antikörper nicht mehr wirken. Ausserdem braucht das Herstellen des Impfstoffs seine Zeit. Neun Monate vor der nächsten Grippewelle wird deshalb versucht vorherzusagen, welche Virenstämme diesmal wohl kommen werden. Je nachdem, wie treffend die Vorhersage war, wirkt der Impfstoff besser oder nicht ganz so gut.

Es wäre also enorm nützlich, einen Grippeimpfstoff zu haben, der etwas breiter wirkt. Dann müsste man sich auch nicht jedes Jahr neu impfen lassen, und die Angst vor einer Pandemie hielte sich in Grenzen. Forschern an der Mount Sinai School of Medecine (nein, die steht nicht in Ägypten, sondern in New York) scheint hier ein entscheidender Durchbruch gelungen zu sein.

Ziel des Impfstoffes ist das Protein Hämagglutinin (HA) in der Virenhülle, genauer die Untereinheit HA2. Diese variiert zwischen verschiedenen Virenstämmen nämlich nur wenig im Vergleich zum Rest des Proteins. Jetzt gibt es aber ein Problem (sonst hätten wir den universellen Impfstoff ja schon lange): Die Untereinheit HA2 steckt grossteils in der Virenhülle, und was daraus herausragt, wird von der Untereinheit HA1 verdeckt. Aus diesem Grund können Antikörper an HA2 nur schlecht andocken. Die Forschungsgruppe hat daher nach Wegen gesucht, die HA2-Untereinheit im Impfstoff freizulegen und somit für Antikörper zugänglich zu machen.

Erfolgreich waren sie mit der Methode, den störenden Kopfbereich der HA1-Untereinheit herauszuschnipseln und die beiden Enden durch einige wenige Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, zu ersetzen. Das sieht dann so aus:

Oben das Schema des ungefalteten Proteins HA. Der mittlere Teil der HA1-Untereinheit (blau) wird entfernt und durch verschieden Aminosäurensequenzen ersetzt. Unten Modelle des vollständig gefalteten Proteins mit und ohne HA1-"Kopf". Steel et al. 2010.

Mit einem Impfstoff aus solchen "kopflosen" HA-Proteinen wurden Mäuse erfolgreich gegen Grippeviren desselben Stammes immunisiert. Die Antikörper, die die Mäuse produziert hatten, wurden auch auf ihre Wirksamkeit gegen andere Virenstämme gestestet. Dabei ergab sich folgendes Muster: War das kopflose HA-Protein vom Subtyp H1, waren die Antikörper wirksam gegen die Subtypen H1, H2 und H5, nicht aber gegen H3. Bei kopflosem HA vom Subtyp H3 verhielt es sich gerade umgekehrt: diese Antikörper bekämpften erfolgreich H3-Viren, nicht aber H1, H2 oder H5.

Dieses Verhalten macht durchaus Sinn, wenn man den Aufbau des HA-Proteins näher betrachtet. Da lassen sich die H-Subtypen in zwei grosse Gruppen teilen, die sich im Aufbau von HA deutlich unterscheiden. H1, H2 und H5 gehören zur ersten Gruppe, H3 hingegen zur zweiten. Deshalb zeigten die Antikörper bei der jeweils anderen Gruppe keine Wirkung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass hiermit möglicherweise der Grundstein gelegt wurde für einen Impfstoff, der gleichzeitig gegen mehrere Influenza-Subtypen wirkt.

Quelle:
Steel, J. et al. Influenza Virus Vaccine Based on the Conserved Hemagglutinin Stalk Domain. mBio 1:1 e00018-10; Published 18 May 2010, doi:10.1128/mBio.00018-10 (Bei mBio handelt es sich übrigens um ein brandneues Journal der American Society for Microbiology - online und frei zugänglicher Volltext.)

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