Donnerstag, 22. April 2010

Die Medien und die Moral

Magnet knipst Moral aus - www.wissenschaft.de
Forscher legen die Moral lahm - science.orf.at 
Magnet kann Moral ausschalten - www.bild.de


Derartige Schlagzeilen waren in letzter Zeit vielerorts zu lesen. Worum geht es?

Szenario: Grace und ihre Freundin besichtigen eine Chemiefabrik. Als Grace zur Kaffeemaschine geht, bittet ihre Freundin sie um Zucker in ihren Kaffee. Neben der Kaffeemaschine steht ein Behälter mit einem weissen Pulver. Dabei handelt es sich um Zucker. Aus unerfindlichen Gründen trägt der Behälter die Aufschrift "giftig", so dass Grace glaubt, es handle sich um eine toxische Substanz, die ein Wissenschafter hier liegengelassen habe. Grace gibt die Substanz in den Kaffee. Ihre Freundin trinkt ihn, ohne Schaden zu erleiden. Wie ist Graces Verhalten moralisch zu werten?

Diese und ähnliche Fragen wurde Versuchspersonen gestellt. Sie bewerteten das Verhalten auf einer Skala von 1 (strikt verboten) bis 7 (völlig in Ordnung). Für kreative Lösungen (Einer der Mitarbeiter ist Diabetiker und hat die Zuckerdose mit "giftig" angeschrieben) und klärende Fragen (Ist Grace Analphabetin? Steht da ein offizielles Gefahrensymbol? Ist die Freundin Mitglied bei Dignitas?) blieb kein Raum. Die Forscher interessierte insbesondere, ob die Bewertung eher aufgrund der Absicht (im Beispiel böse) oder aufgrund des Ergebnisses (im Beispiel alles in Ordnung) erfolgte.

In unserem Hirn gibt einen Abschnitt, der besonders dann aktiv wird, wenn wir über die Absichten und Beweggründe einer Person nachdenken. Dieser Teil wurde bei den Versuchspersonen nun kurzzeitig durch ein starkes, fokussiertes Magnetfeld gestört. So etwas kann die Nervenzellen ganz schön durcheinander bringen. Es ist hier anzumerken, dass es sich bei dieser Methode um richtig starke Magnetfelder handelt, ein mickriger Küchenmagnet könnte da nicht mithalten.

Während oder nach dieser Behandlung bewerteten die Versuchspersonen die vorgestellten Situation anders: War die Absicht böse, aber ohne nachteilige Folgen, so hielten sie das Verhalten eher für erlaubt. Und zwar betrug der Unterschied 0.8 Punkte auf der Skala von 1 bis 7. Das mag statistisch signifikant sein, überwältigend ist es jedoch nicht. Die obigen Schlagzeilen wirken in diesem Licht leicht übertrieben, von "ausschalten" oder "lahmlegen" kann nicht die Rede sein. Ausserdem sind zwölf Versuchspersonen doch etwas wenig, um verallgemeinernde Schlüsse ziehen zu können.

Die wirklich wichtige Erkenntnis der Studie scheint mir zu sein, dass die Störung eines kleinen Gehirnareals einen messbaren Einfluss auf eine komplexe Entscheidung zeigte. Aber natürlich haben sich die Medien gleich auf den Begriff Moral gestürzt.

Und die Moral von der Geschicht: Trau derartigen Schlagzeilen nicht.

Quellen (alle in Englisch):

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